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„Nachhaltigkeit ist Teil der DNA mittelständischer Unternehmen"

Resilienz in Krisenzeiten: Interview mit Christoph Tönsgerlemann, CEO von ETL Prüfung & Beratung
„Nachhaltigkeit ist Teil der DNA mittelständischer Unternehmen
Aktuelles
14.02.2023

„Nachhaltigkeit ist Teil der DNA mittelständischer Unternehmen"

Resilienz in Krisenzeiten: Interview mit Christoph Tönsgerlemann, CEO von ETL Prüfung & Beratung

Die vergangenen Jahre haben gerade mittelständische Unternehmen enorme Kraft gekostet. Herausforderungen wie Energiepreise, Rohstoffknappheit, Klimawandel und Fachkräftemangel fordern innovative und weitsichtige Entscheidungen. Im Interview erläutert Christoph Tönsgerlemann, CEO von ETL Prüfung & Beratung, welche Rolle das Thema Nachhaltigkeit für die Resilienz der Unternehmen spielt. Beim jüngsten Gipfeltreffen der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall (Foto oben) festigte sich seine bisherige Wahrnehmung: „Nachhaltigkeit ist Teil der DNA mittelständischer Unternehmen, dafür benötigen sie keine Berichterstattungsvorgaben von Seiten der Politik“, sagt er. Warum das Hadern mit den Regularien dennoch keine Option ist, welche Chancen Unternehmen jetzt nutzen sollten und wie seine persönliche Prognose für den Mittelstand in Sachen Nachhaltigkeit lautet, lesen Sie hier.

Welchen Stellenwert nimmt das Thema ESG* aktuell bei den Unternehmen ein?

In den Beiträgen des Gipfeltreffens zahlte jeder Hidden Champion auf mindestens ein Nachhaltigkeitsmerkmal ein. Das ist auch nicht überraschend, da die mittelständischen Weltmarktführer sehr häufig Familienunternehmen sind. Diese treffen Entscheidungen nicht im Sinne der Maximierung einer Jahres-Tantieme, sondern nachhaltig im Sinne der nachfolgenden Generationen. Die langfristige Zufriedenheit der Mitarbeiter und Kunden steht an erster Stelle. Der sorgsame Umgang mit endlichen Ressourcen unseres Planeten ist nüchtern betrachtet ein Wettbewerbsvorteil. Die Unternehmen schätzen den Wert einer nachhaltigen und sozialen Marktwirtschaft und akzeptieren deren Gesetze und Normen. Insofern haben die bisherigen Standard-Entwürfe im Bereich Governance, die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), hier keine fundamentalen Neuigkeiten gebracht.

Dein Eindruck: Sind die deutschen Hidden Champions auf die Anforderungen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) vorbereitet?

Die ESRS bilden den politischen Willen der CSRD in Standards ab. Das Gipfeltreffen hat meine bisherige Wahrnehmung bestätigt: Keine Unternehmerin und kein Unternehmer zweifelt an der Sinnhaftigkeit, unseren Planeten und damit die Grundlage für unser wirtschaftliches Handeln zu bewahren. Bisweilen wird aber der Umfang der geplanten Berichterstattungspflichten als überbordende Regulierung und als weiterer Standortnachteil kritisiert. Aufgrund vielfach noch fehlender Benchmarks, Wesentlichkeitsgrenzen und best-practices herrscht noch eine große Unsicherheit. Dies lässt sich auch daran erkennen, dass viele Unternehmen noch keine konkreten Ergebnisse und Kennzahlen nach außen kommunizieren. Die Unternehmen, die sich mit den Details der bisher bekannten Regularien bereits aktiv auseinandergesetzt haben, haben die anderen Unternehmen ermutigt, das Thema proaktiv anzugehen.

Wie lautet Deine Empfehlung an den deutschen Mittelstand?  

Die Entscheidungen für eine Ausrichtung auf ein nachhaltiges wirtschaftliches Handeln sind vor über zehn Jahren auf globaler Ebene getroffen worden. Die Global Player (Corporates, Banken, Private Equity, Fonds) haben sich bereits darauf eingestellt. Insofern macht ein grundsätzliches Hadern mit den Standards keinen Sinn. Die Unternehmen müssen sich nun aktiv mit den Anforderungen auseinandersetzen. Das Fehlen von Benchmarks, Wesentlichkeitsgrenzen und best-practices ist für jede Branche heute eine große Chance, die eigene Positionierung noch aktiv mitzugestalten. Eine Befassung mit den möglicherweise ‚schwierigen‘ Themen wie CO2-Bilanz über die Wertschöpfungskette (Scope-3-Emissionen) steht in Zeiten von Energiepreissteigerungen und Lieferketten-Risiken ohnehin auf der Tagesordnung. Eine überzeugende Nachhaltigkeitsstrategie und eine transparente Darlegung der einzelnen Meilensteine zum Nachhaltigkeits-Zielbild eröffnen Unternehmen heute große Chancen. Sie bleiben attraktiv für die Mitarbeiter, werden attraktiv für neue Mitarbeiter und auch für Lieferanten und Kunden.  

Blickst Du optimistisch in die Zukunft?

Absolut. Die mittelständischen Unternehmen haben in der Corona-Krise das Problem des teilweisen Stillstandes bewältigt. Natürlich häufig auch mit Hilfe des Staates. Mit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine mussten sie zunächst Lösungen für wegbrechende Lieferketten finden. Die explodierenden Beschaffungskosten für Energie, der Arbeitskräftemangel aufgrund der Demografie und die veränderte öffentliche Wahrnehmung für das Thema Umwelt und Klimawandel werden ab sofort wie ein Turbo für die Erarbeitung einer Nachhaltigkeitsstrategie wirken. Diese Chance sollten Unternehmen nutzen – und sie werden sie nutzen. Denn niemand kann glaubwürdiger den Nachhaltigkeitsgedanken transportieren als mittelständische Unternehmen. Nachhaltigkeit liegt in ihrer DNA, dafür benötigen sie keine Berichterstattungsvorgaben von Seiten der Politik. Für die Unternehmen, die diese DNA noch nicht in sich tragen, sind die ESRS nun ein starker Motivationsschub.

*Der Begriff ESG steht für Environmental, Social und Governance: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Die drei Bereiche bilden die Säulen einer nachhaltigen Unternehmensstrategie. Lesen Sie dazu auch unseren Newsletter

 

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Christoph Tönsgerlemann
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

Mail: christoph.toensgerlemann@etl.de


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