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Keine Haftung des Abschlussprüfers gegenüber geschädigten Anlegern, die Container gekauft haben („Fall P&R“)

Keine Haftung des Abschlussprüfers gegenüber geschädigten Anlegern, die Container gekauft haben („Fall P&R“)
Aktuelles
30.11.2022

Keine Haftung des Abschlussprüfers gegenüber geschädigten Anlegern, die Container gekauft haben („Fall P&R“)

Das Oberlandesgericht (OLG) München verneint Ansprüche gegenüber dem Abschlussprüfer (OLG München, Beschl. v. 21.04.2022 – 8 U 4257/21, DB 2022, 2600 = WM 2022, 1111).

In den Entscheidungsgründen heißt es:

„2. Eine richterrechtliche Prospekthaftung im engeren Sinn besteht gleichfalls nicht:

  1. a) Ansprüche aus richterrechtlicher Prospekthaftung im engeren Sinn scheiden hier schon deshalb aus, weil eine gemeinsame unternehmerische Betätigung der Anleger am Markt weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist. Die Anleger haben sich im vorliegenden Geschäftsmodell nicht an einer Gesellschaft beteiligt, und zwar weder offen noch als stiller Gesellschafter oder im Wege eines partiarischen Darlehens; sie haben Container gekauft. Der Kauf von Containern stellt aber den Erwerb einzeln zuzuordnender Vermögensgegenstände dar und steht damit dem Erwerb von Immobilien oder Waren gleich (vgl. Herrmann, WM 2021, 261, 262; zu BGH vom 13.8.2020 – III ZR 148/19, WM 2020, 1862, zum Kauf von Erdöl- und Erdgasförderrechten).
  2. b) Daher kann dahinstehen, ob eine richterrechtlicher Prospekthaftung im engeren Sinn nach den Beschlüssen des Bundesgerichtshofs vom 19.01.2021 und 27.04.2021 im Verfahren XI ZB 35/18 überhaupt noch Anwendung finden kann oder ob sie nur im Anwendungsbereich von spezialgesetzlichen Prospekthaftungstatbeständen ausgeschlossen ist (vgl. dazu zuletzt Buck-Heeb/Dieckmann, ZIP 2022, 145). Der Beklagte haftet nämlich insoweit bereits aus anderem Grunde nicht.

(1) Zwar dürfte es sich bei der vorgelegten Informationsbroschüre für Gebrauchtcontainer (Anl. K4) um einen Prospekt im Sinne der Rspr. des BGH handeln.

Der Bundesgerichtshof definiert einen Prospekt nämlich als „marktbezogene schriftliche Erklärung, die für die Beurteilung der angebotenen Anlage erhebliche Angaben enthält oder den Anschein eines solchen Inhalts erweckt. Sie muss tatsächlich den Anspruch erheben oder zumindest den Eindruck vermitteln, eine das Publikum umfassend informierende Beschreibung der Anlage zu sein. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung können dabei auch andere Unterlagen wie Sonderdrucke mit Zeitschrifteninterviews ungeachtet ihrer körperlichen Trennung einen einheitlichen Anlageprospekt im Rechtsinne darstellen (BGH Urt. v. 17.11.2011 – III ZR 103/10; MSF I, ´Spitzenpolitiker´).

Eine solche umfassend informierende Beschreibung der Anlage enthält wohl auch die angeführte, dem Senat auch aus anderen Verfahren bekannte Broschüre Anlage K 4. Sie gibt Auskunft über das Unternehmen und das Anlagekonzept, stellt die Produkte und das Container-Investitionsprogramm vor, äußert sich zum Markt, zum Nutzen und den Risiken sowie zu Sicherheiten. Sie erweckt somit also jedenfalls den Eindruck einer umfassenden informierenden Beschreibung der Anlage für das interessierte Publikum.

(2) Der Beklagte ist jedoch nicht Adressat der richterrechtlichen Prospekthaftung.

(a) Danach haben für falsche oder unvollständige Prospektangaben der Herausgeber des Prospekts sowie die Initiatoren, Gründer und Gestalter der Gesellschaft, soweit sie das Management der Gesellschaft bilden oder es beherrschen, einschließlich der sogenannten ´Hintermänner´ einzustehen (BGH, Beschluss vom 21.11.2018 – VII ZR 3/18 -, Rn. 22, juris, mwN.).

Weiter unterliegen der Prospekthaftung im engeren Sinn die Personen, die mit Rücksicht auf ihre allgemein anerkannte und hervorgehobene berufliche und wirtschaftliche Stellung oder als berufsmäßige Sachkenner eine Art Garantenstellung einnehmen, sofern sie durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken an dem Prospekt einen besonderen, zusätzlichen Vertrauenstatbestand schaffen und Erklärungen abgeben, wobei allerdings die bloße Mitwirkung an der Herausgabe des Prospekts oder an dessen Gestaltung nicht ausreicht (BGH a.a.O. Rn. 23 mwN). Der Vertrauenstatbestand muss sich aus dem Prospekt ergeben, sofern nicht die Mitwirkung an der Prospektgestaltung auf andere Weise nach außen hervorgetreten ist (BGH, Urt. vom 17.11.2011 – III ZR 103/10 -, BGHZ 191, 310-325, Rn. 19, juris, mwN.). Bei der Prospekthaftung aufgrund Garantenstellung ist die Einstandspflicht auf die den Garanten selbst zuzurechnenden Prospektaussagen beschränkt (BGH, Urt. v. 14.06.2007 – III ZR 185/05 -, Rn. 15, juris, mwN.; Urt. v. 17.11.2011, III ZR 103/10, MSF I, Spitzenpolitiker).

(b) Der Beklagte hat vorliegend schon keinen Prospekt herausgegeben. Auch hatte er keine der oben beschriebenen Funktionen innerhalb der P & R-Gesellschaften inne. Zwar gehört er als Wirtschaftsprüfer zu dem Personenkreis, dessen berufliche Sachkunde und persönliche Zuverlässigkeit die Grundlage für eine Vertrauenshaftung bilden kann (BGH, Urt. v. 14.06.2007 – III ZR 185/05 -, Rn. 15).

Bezüglich besagter Informationsbroschüre (hier Anl. K4) scheidet aber eine Prospekthaftung des Beklagten als Garant schon deshalb aus, weil er keine eigenen Prospekterklärungen, sondern nur (eingeschränkte) Prüftestate über die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts gegenüber den P & R-Gesellschaften, die ihn beauftragt haben, abgegeben hat (vgl. BGH, Beschluss vom 21.11.2018 – VII ZR 3/18 -, Rn. 26, juris). Die Bestätigungsvermerke bezogen sich nicht auf Informationsbroschüren als solche, sondern auf den jeweils geprüften Jahresabschluss. Sie sind damit nicht als Testat mit werbender Funktion eigens für die Veröffentlichung der Informationsbroschüren gefertigt worden (vgl. BGH a.a.O. Rn. 26). Die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts von Kapitalgesellschaften durch einen Abschlussprüfer (vgl. § 316 ff. HGB) ist außerdem keine umfassende Rechts- und Wirtschaftlichkeitsprüfung, sondern nur eine Rechnungslegungsprüfung (vgl. BGH, Urt. vom 15.12.2005 – III ZR 424/04, NJW-RR 2006, 611, Rn. 26, juris).

Die Reports Performance (Anl. K3) erheben weiter nach ihrem Eindruck nicht den Anspruch, eine das Publikum umfassend informierende Beschreibung der Anlage zu sein. Im Übrigen sind sie dem Beklagten ebenso wenig zuzurechnen wie die Ausführungen Dritter z.B. im Investment-Report (Anl. K5) oder auf der Internetseite der P & R-Gruppe (Anl. K6).

  1. Kein Anspruch aus Prospekthaftung im weiteren Sinn:
  2. a) Eine allgemeine Vertrauenshaftung scheidet aus:

(1) Ein besonderes persönliches Vertrauen kann nur angenommen werden, wenn der Anspruchsgegner eine über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehende persönliche Gewähr für die Seriosität und ordnungsgemäße Erfüllung des Vertrags übernommen hat. Anknüpfungspunkt der Prospekthaftung im weiteren Sinne ist nicht die Verantwortlichkeit für einen fehlerhaften Prospekt, sondern eine selbständige Aufklärungspflicht als Vertragspartner oder Sachwalter aufgrund persönlich in Anspruch genommenen – nicht nur typisierten – besonderen Vertrauens, zu deren Erfüllung sich die Person des Prospekts bedient (z.B. BGH, Urt. vom 17.09.2020 – III ZR 283/18 für Sicherheitentreuhänder).

(2) Diese Voraussetzungen sind hier offensichtlich nicht erfüllt. Der Beklagte ist nicht als Vertreter aufgetreten und hat keinen unmittelbaren Kontakt zu den Anlegern gehabt. Auch sonst ist es nicht zur Beeinflussung der Vertragsverhandlungen aufgrund eines von dem Beklagten in Anspruch genommenen persönlichen Vertrauens gekommen. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die einen Anleger zu der Erwartung berechtigen könnten, der Beklagte übernehme über seine eigentliche Aufgabe als Abschlussprüfer hinaus Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts und für die Seriosität des Geschäftsmodells.

  1. b) Auch eine allgemeine Expertenhaftung kommt nicht in Betracht:

(1) Ein Experte haftet vertragsfremden Dritten nach den Grundsätzen über einen Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nur bei Inanspruchnahme eines konkreten Vertrauens. Die Anknüpfung an typisiertes Vertrauen, das im Bereich der Prospekthaftung im engeren Sinn haftungsbegründend wirkt, genügt auch hier nicht. Die Anlageentscheidung muss vielmehr auf dem erstatteten Prospektprüfungsgutachten beruhen. Das kommt nur bei Anlegern in Betracht, die vor ihrem Beitritt das Gutachten angefordert haben (BGH vom 14.06.2007, Gz. III ZR 125/06 und III ZR 300/05 zum Prospektprüfer bei VIF 3).

Hier geht es indessen bereits um eine bloße Abschluss- und nicht eine Prospektprüfung. Im Übrigen ist auch nach dem Vortrag der Berufung, wie vom Landgericht festgestellt, den Klägern nicht genau erinnerlich, welche Vermarktungsunterlagen von P & R sie wann erhalten und gelesen haben. Damit steht schon nicht fest, dass sie – wie vom Beklagten bestritten – vor Tätigung ihres Investments überhaupt Kenntnis von den Jahresabschlüssen hatten.

(2) Aus den klägerseits zitierten Informationsbroschüren etc. ergibt sich ebenfalls keine Haftung wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung. Vorliegend heißt es in der Informationsbroschüre Anlage K4 für die P & R Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH auf der letzten Seite:

´Geprüfte Performance Unabhängige Wirtschaftsprüfer testieren P & R die vollständige Vertragsabwicklung für die Containerinvestitionen. Die P & R Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH übernimmt diese bewährte Abwicklung eins zu eins. So ist auch für dieses neue Konzept die gleiche gute Performance sichergestellt.´

Dieser Satz, der scheinbar angesichts des dort verwendeten Plurals mehrere Wirtschaftsprüfer betrifft und den Beklagten nicht einmal namentlich nennt, reicht bei weitem nicht aus, um eine solche Expertenhaftung auszulösen. Denn die allgemeine Erwägung eines Anlegers, der Vertrieb werde die entsprechenden Testate zur Kenntnis nehmen und, sofern er den Prospekt nicht für unbedenklich hält, von einer Vermittlung der entsprechenden Anlage absehen, genügt nicht (BGH Urt. v. 14.06.2007, Gz. III ZR 125/06 und III ZR 300/05 zu einem ähnlichen Sachverhalt zum Prospektprüfer bei VIF 3; dort hieß es im Prospekt: ´Eine namhafte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist mit der Beurteilung des Prospekts beauftragt worden und wird über das Ergebnis einen Bericht erstellen. Der Bericht wird nach Fertigstellung den von den Vertriebspartnern vorgeschlagenen ernsthaften Interessenten auf Anforderung zur Verfügung gestellt.´).

Selbst in einem Fall, in dem das Testat im Prospekt selbst abgedruckt war, hat der BGH keine daraus resultierende Vertrauenshaftung erwogen, sondern nur eine deliktische Haftung insbesondere aus § 826 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 12.3.2020 – VII ZR 236/19, dazu s.u.).

  1. Kein Anspruch aufgrund Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter:
  2. a) Gemäß § 323 I S.3 HGB haftet der Wirtschaftsprüfer aus dem Prüfvertrag, der wie hier eine obligatorische oder freiwillige Jahresabschlussprüfung nach den Maßstäben der §§ 316, 317 HGB zum Gegenstand hat, grundsätzlich nur der zu prüfenden Gesellschaft und den mit ihr verbundenen Unternehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 21.11.2018 – VII ZR 3/18 -, Rn. 18, juris).

(1) Zwar kann in den Schutzbereich des Abschlussprüfvertrages zwischen einer Kapitalgesellschaft und einem Abschlussprüfer ein Dritter einbezogen sein (BGH, Urt. vom 15.12.2005 – III ZR 424/04 -, Rn. 12, juris).

Bestehen und Reichweite eines etwaigen Drittschutzes sind durch Auslegung des jeweiligen Prüfvertrages zu ermitteln (BGH a.a.O. Rn. 12). Die in § 323 HGB zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Intention, das Haftungsrisiko des Wirtschaftsprüfers angemessen zu begrenzen, ist dabei auch im Rahmen der vertraglichen Dritthaftung des Abschlussprüfers zu beachten (BGH a.a.O. Rn. 13). Weiter ist regelmäßig nicht davon auszugehen, dass der Abschlussprüfer ein so weites Haftungsrisiko zu übernehmen bereit ist, wie es sich aus der Einbeziehung einer unbekannten Vielzahl von Gläubigern, Gesellschaftern oder Anteilserwerbern in den Schutzbereich ergäbe (BGH a.a.O. Rn. 12).

Anders liegt es indessen, wenn die Vertragsteile bei Auftragserteilung, gegebenenfalls auch zu einem späteren Zeitpunkt, übereinstimmend davon ausgehen, dass die Prüfung auch im Interesse eines bestimmten Dritten durchgeführt wird und das Ergebnis diesem Dritten als Entscheidungsgrundlage dienen soll. Jedenfalls in solchen Fällen liegt in der Übernahme des Auftrages die schlüssige Erklärung des Prüfers, auch im Interesse des Dritten gewissenhaft und unparteiisch prüfen zu wollen (BGH, Urt. vom 02.04.1998 – III ZR 245/96 -, BGHZ 138, 257-266, Rn. 11, juris). Wesentlich ist, dass eine von Sachkunde geprägte Stellungnahme oder Begutachtung den Zweck hat, das Vertrauen eines Dritten zu erwecken und – für den Sachkundigen hinreichend erkennbar – Grundlage einer Entscheidung mit wirtschaftlichen Folgen zu werden (BGH, Urt. vom 24.04.2014 – III ZR 156/13 -, Rn. 14, juris).

(2) Im vorliegenden Fall sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Prüfung auch im Interesse bestimmter Dritter durchgeführt werden sollte.

Zwar gehören Wirtschaftsprüfer bzw. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften prinzipiell zu dem Personenkreis, dessen Stellungnahmen aufgrund der Sachkunde und der erwarteten Unabhängigkeit, Gewissenhaftigkeit und Unparteilichkeit – insbesondere bei Prüfaufträgen – von besonderer Bedeutung sind. Wesentlich ist aber, dass eine von Sachkunde geprägte Stellungnahme oder Begutachtung den Zweck hat, das Vertrauen eines Dritten zu erwecken und – für den Sachkundigen hinreichend erkennbar – Grundlage einer Entscheidung mit wirtschaftlichen Folgen zu werden (BGH, Urt. vom 24.04.2014 – III ZR 156/13 zur Haftung eines Wirtschaftsprüfers aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter für ein Testat zu Gewinnprognose für eine Kapitalerhöhung. Dort war die beabsichtigte Weitergabe des Testats an Dritte – durch die Aufnahme in den Prospekt und die Verwendung des Prospekts bei der Zeichnung von Aktien durch Anleger – Grundlage des Auftrags, vgl. dazu Schlick, WM 2015, 309).

Dafür ist hier nichts ersichtlich. Dass für den Beklagten die Verwendung seiner Prüfberichte im Rahmen der Anlegerakquise erkennbar gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Auch dass das ´zum bestimmungsgemäßen Gebrauch´ der Prüfberichte gehört hätte, ist nicht ersichtlich.

(3) Eine Prüfung von Jahresabschluss und Lagebericht nach den Maßstäben der §§ 316, 317 HGB reicht für die Annahme von Drittschutz von vorneherein nicht aus (BGH, Urt. v. 15.12.2005 – III ZR 424/04 -, Rn. 13, juris).

Die Kläger haben in der Klageschrift zwar weiter vorgetragen, dass der Beklagte sowohl die gesetzlich vorgeschriebene Überprüfung der jeweiligen P & R GmbH als Abschlussprüfer als auch die regelmäßige jährliche Überprüfung der Auszahlungen der Containermieten und -rückkäufe sowohl für die P & R Container Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH als auch für die P & R Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH auf Prüfungsauftrag der jeweiligen P & R Gesellschaft vorgenommen habe.

Insoweit ist aber schon unklar, ob damit ein über den von dem Beklagten nicht bestrittenen Auftrag zur Prüfung der Jahresabschüsse hinausgehender, weiterer Auftrag der genannten Gesellschaften an den Beklagten behauptet werden soll. Dies erscheint nicht zwingend. Denn die Lageberichte enthielten Passagen, wonach mit den geleisteten Mietzahlungen und Container-Rückkäufen die P & R-Gruppe alle vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Investoren vollumfänglich erfüllt habe (vgl. etwa Lagebericht der P & R Container Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH zum Geschäftsjahr 2012 Ziffer 2.3). Die Prüfung des Lageberichts nach § 316 I S.1 HGB fällt aber in den allgemeinen Prüfungsumfang des Abschlussprüfers und stellt mithin keine besondere, zusätzliche Leistung dar, die unter Umständen zur Annahme eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter führen könnte (vgl. BGH, Urt. v. 02.04.1998 – III ZR 245/96 -, BGHZ 138, 257-266, Rn. 9, juris).

  1. Kein Anspruch aus vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung im Hinblick auf eine etwaige zusätzlich zur Abschlussprüfung übernommene Prüfung der Mietauszahlungen und Rückkäufe:
  2. a) Soweit ein Wirtschaftsprüfer über die Prüfung von Jahresabschlüssen nach den Maßstäben der §§ 316 ff HGB hinausgehende Testate erstellt und sich so in ein Kapitalanlagesystem einbinden lässt, kommt nach der Rspr. des BGH eine Schadenshaftung aus Verschulden bei Vertragsschluss in Betracht, wenn der Wirtschaftsprüfer pflichtwidrig den Gebrauch seiner mit den Angaben des Prospekts nicht übereinstimmenden Prüfberichte duldet und so einen Vertrauenstatbestand schafft. Er kann sich dann der Schadenshaftung nicht dadurch entziehen, dass er auf seinen beschränkten Prüfauftrag verweist.

Soweit sich die Kläger in diesem Zusammenhang auf das Urteil des BGH, vom 26.09.2000, Gz. X ZR 94/98, berufen, wonach ein Wirtschaftsprüfer, der es im Rahmen eines Kapitalanlagemodells übernimmt, die Einzahlungen der Anleger und die Mittelverwendung regelmäßig zu überprüfen, diese Kontrolle tatsächlich jedoch nicht in dem den Anlegern versprochenen Umfang durchführt, in seinen Prüftestaten aber gleichwohl die Ordnungsgemäßheit des Geldflusses und der Mittelverwendung bestätigt, den späteren Anlegern auf Schadensersatz aus Verschulden bei Vertragsschluss haftet, wenn diese im Vertrauen auf die Richtigkeit früherer Testate Geldanlagen getätigt haben und der Wirtschaftsprüfer damit rechnen musste, liegt ein derartiger Fall hier offensichtlich nicht vor:

In dem vom BGH entschiedenen Fall war dem Prospekt zu entnehmen, dass die vertragsgemäße Verwaltung der Beteiligungen der Anleger „durch halbjährige Prüfungen einer ´unabhängigen namhaften Wirtschaftsprüfungsgesellschaft´ sichergestellt werde, die die ´tatsächliche Durchführung auf Richtigkeit´ überprüfe, ´um eine lückenlose Kontrolle zu gewährleisten´. Demgegenüber habe sich der dortige Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen können, er sei nur beauftragt gewesen, den Mittelzufluss auf das Treuhandkonto und die ordnungsgemäße Verbuchung zu prüfen und zu testieren. Der hiesige Beklagte war aber nicht mit der Mittelverwendungskontrolle beauftragt. Zur Haftung für seine Prüftestate im Rahmen der reinen Abschlussprüfung s.o.

  1. b) Soweit die Kläger meinen sollten, dass der Beklagte zusätzlich zu dem Auftrag zur Prüfung der Jahresabschlüsse nebst Lageberichten von den deutschen P & R Gesellschaften einen weiteren Auftrag erteilt bekommen habe, eine nicht am Prüfungsmaßstab der §§ 316, 317 HGB orientierte Überprüfung der Auszahlungen der Containermieten und -rückkäufe vorzunehmen, fehlt es schon an schlüssigem Vortrag zu einem entsprechend konkreten Prüfauftrag.

Zudem ist auch nicht schlüssig vorgetragen, dass Pflichten aus einem derartigen Auftrag – einen solchen unterstellt – verletzt, d.h. Rückkäufe oder Mietzahlungen, die nach dem Inhalt der vorgelegten ´Kauf- & Verwaltungsverträge´ unabhängig von einer tatsächlich erwirtschafteten Containermiete, also losgelöst vom Containerbestand zu leisten waren, nicht erfolgt wären.

So sollen die eingeworbenen Gelder – entsprechend dem behaupteten Schneeballsystem – nach Darlegung der Kläger in erheblichem Umfang dazu genutzt worden sein, Ansprüche der Anleger zu bedienen, insbesondere Mieten zu zahlen und Zahlungen und Rückkäufe zu leisten (Klage S.8, Bl.8 d.A.). Weiter wird ausgeführt, bei Auszahlungen an die Anleger seien die Gelder von den Konten der drei P & R Gesellschaften entnommen worden. Auf diese Konten seien die Einzahlungen der Anleger geflossen, die konzeptionsgemäß an die P & R EF zu leiten gewesen wären, damit diese Container kaufe bzw. herstellen lasse. Tatsächlich seien die Gelder jedoch verwendet worden, um die Altverbindlichkeiten zu begleichen. Dafür seien die Gelder zwischen den drei P & R Gesellschaften hin und her geschoben worden, je nachdem wo gerade Liquiditätsengpässe bestanden, und wenn das Geld nicht gereicht habe, sei solches aus der Schweiz angefordert worden (SS v. 10.03.2021, S.13, Bl.78 d.A.).

Den eigenen Ausführungen der Kläger ist damit zu entnehmen, dass bis zum Zusammenbruch des behaupteten Schneeballsystems die fälligen Mietzahlungen und Rückkäufe durchaus getätigt wurden, d.h. dass insoweit keine unvollständige Vertragsabwicklung vorgelegen hat.

  1. Keine Ansprüche aus unerlaubter Handlung
  2. Zwar könnte eine tatbestandsmäßige unerlaubte Handlung des Beklagten nicht mit der vom Landgericht hierfür gegebenen Begründung und jedenfalls nicht ohne Beweisaufnahme verneint werden:
  3. a) Schadensersatzanspruch aus § 823 II BGB i.V.m. § 332 I HGB:
  • 332 I HGB stellt im Hinblick auf einen Anleger ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz iSd § 823 II BGB dar. Ein Schadensersatzanspruch kann daher grundsätzlich bestehen, wenn der Abschlussprüfer sich nach § 332 I HGB strafbar gemacht hat (BGK NZG 2020, 1030 Rn. 14, beck-online)

Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 II BGB i.V.m. § 332 I HGB setzt aber in jeder seiner drei Tatbestandsalternativen des § 332 HGB mindestens bedingten Vorsatz voraus, fahrlässiges Handeln ist straflos. Beim bedingten Vorsatz muss der Prüfer die Möglichkeit einer unrichtigen Berichterstattung, des Verschweigens erheblicher Umstände oder des Erteilens eines inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerks nach § 332 HGB erkennen, gleichwohl aber – d.h. trotz dieser Erkenntnis – den Prüfungsbericht erstatten bzw. den Bestätigungsvermerk erteilen. So ist bedingter Vorsatz insbesondere dann gegeben, wenn der Prüfer konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass noch erhebliche, d.h. berichtspflichtige oder in einen Bestätigungsvermerk aufzunehmende Vorgänge vorhanden sein können, aber noch nicht entdeckt sind, und gleichwohl weitere Prüfungshandlungen unterlässt und ohne diese seinen Prüfungsbericht erstattet oder den Bestätigungsvermerk erteilt (MüKoHGB/Klinger, 4. Aufl. 2020, HGB § 332 Rn. 34-36). Das unterscheidet sich in den Haftungsvoraussetzungen nicht wesentlich von § 826 BGB; auch insoweit würde ein Anspruch aber jedenfalls an der fehlenden haftungsbegründenden Kausalität scheitern (s.u. 2.).

  1. b) Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB:

Wie der BGH erst kürzlich wieder bestätigt hat, kann die Erteilung eines unrichtigen Testats für einen Jahresabschluss durch einen Wirtschaftsprüfer bei einer besonders schwerwiegenden Verletzung der Sorgfaltspflichten sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB sein. Als sittenwidrig ist dabei zu beurteilen, dass der Auskunfterteilende aufgrund des Expertenstatus ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nimmt, selbst aber nicht im Mindesten den an einen Experten zu richtenden Maßstäben genügt. Der Sittenverstoß setzt ein leichtfertiges und gewissenloses Verhalten des Auskunftgebers voraus. Die Vorlage eines unrichtigen Bestätigungsvermerks allein reicht dabei nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass der Wirtschaftsprüfer seine Aufgabe qualifiziert nachlässig erledigt, zum Beispiel durch unzureichende Ermittlungen oder durch Angaben ins Blaue hinein, und dabei eine Rücksichtslosigkeit an den Tag legt, die angesichts der Bedeutung des Bestätigungsvermerks für die Entscheidung Dritter als gewissenlos erscheint. Ob dies der Fall ist, kann nur dann sachgerecht beantwortet werden, wenn vorher geklärt wird, ob und in welchen Punkten der Jahresabschluss objektive Fehler enthält. Zur Beurteilung der richtigen bilanziellen Bewertung einer (möglicherweise) risikobehafteten Forderung ist im Zivilprozess dabei in der Regel die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten, es sei denn, das Gericht verfügt ausnahmsweise selbst über die notwendige besondere Sachkunde und weist die Parteien zuvor hierauf hin (BGH, Urteil vom 20. Januar 2022 – III ZR 194/19, Rz. 18 mwN; ebenso Senat, Hinweis vom 09.12.2021 – 8 U 6063/21, BeckRS 2021, 43191, Juris, zur Haftung des Abschlussprüfers von Wirecard).

  1. c) Das hat das Landgericht auch hier nicht hinreichend berücksichtigt, indem es nur meint, für einen Anspruch aus § 826 BGB müsste der Beklagte seine Aufgaben als Wirtschaftsprüfer nachlässig erledigt und dabei eine Rücksichtslosigkeit an den Tag gelegt haben, die angesichts der Bedeutung der Bestätigungsvermerke für die Entscheidung Dritter als gewissenlos erscheint.

Das stellt aber nach der Rspr. des BGH erst den ggf. zweiten Prüfungsschritt dar, nachdem zunächst Feststellungen zur Pflichtwidrigkeit erfolgt sind. Allenfalls könnten im ersten Schritt die behaupteten Pflichtwidrigkeiten als wahr unterstellt werden, und dann im zweiten Schritt gefragt werden, ob dies „gewissenlos“ wäre – auch das bedürfte aber wohl der sachverständigen Beratung des Gerichts. Soweit sich das Landgericht mit der Frage der Pflichtwidrigkeit überhaupt konkret befasst hat, war dies auch hier in mehrfacher Hinsicht verfahrensfehlerhaft:

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe von Einzelheiten zu dem Ablauf bestimmter Ereignisse ist grundsätzlich nicht erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung sind. Dementsprechend ist eine Partei grundsätzlich nicht gehalten, zur Substantiierung einer Klage, die sich auf eine getroffene Einigung stützt, zu den Umständen dieser Vereinbarung, wie Zeit, Ort oder teilnehmende Personen, detailliert vorzutragen. Diese Umstände sind Gegenstand der Beweisaufnahme; diese kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass sie von der beweispflichtigen Partei im Einzelnen vorgetragen werden. Zu einer näheren Darlegung kann eine Partei allerdings gezwungen sein, wenn die Gegenpartei ihre Darstellung substanziiert angreift. Denn der Umfang der jeweils erforderlichen Substantiierung bestimmt sich aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag (BGH vom 19.05.2011, Az. VII ZR 24/08 Rz. 14 m.w.N.).

Hierbei ist auch zu berücksichtigen, welche Angaben einer Partei zumutbar und möglich sind. Falls sie keinen Einblick in die Geschehensabläufe hat und ihr die Beweisführung deshalb erschwert ist, darf sie auch vermutete Tatsachen unter Beweis stellen. Sie ist grundsätzlich nicht gehindert, Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genauen Kenntnisse hat, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält (BGH, Urteil vom 4. Oktober 2018, III ZR 213/17, Rz. 25 mwN).

(2) Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast dürfte daher der in den Anlagevermittlungsfällen entsprechen. Die Klagepartei trägt als diejenige, die eine ´gewissenlose´ Prüfungspflichtverletzung des Abschlussprüfers behauptet, dafür grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast. Die mit dem Nachweis spezifisch bilanzieller Fragen verbundenen Schwierigkeiten werden dabei dadurch ausgeglichen, dass der Abschlussprüfer die behauptete Prüfungspflichtverletzung substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie er im Einzelnen geprüft haben will. Dem Anspruchsteller obliegt dann der Nachweis, dass diese Gegendarstellung nicht zutrifft (zur Anlagevermittlung vgl. z.B. BGHZ 126, 217, 225; BGH WM 1982, 13, 16, WM 1987, 590, 591, WM 1999, 645, 646).

(3) Ausgehend von diesen Grundsätzen dürfte die Klagepartei – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, dies wäre ggf. noch weiter zu prüfen – jedenfalls folgende möglicherweise haftungsbegründenden Pflichtverletzungen hinreichend dargelegt und unter Sachverständigenbeweis gestellt haben (vgl. zu den Prüfungsanforderungen bei § 826 BGB für einen durch Sachverständigengutachten beweisbedürftigen Prüfungsfehler eines Wirtschaftsprüfers bei der Abschlussprüfung BGH, Urteil vom 20. Januar 2022 – III ZR 194/19, Rz. 18 mwN).

(a) Auszugehen ist dabei von folgenden allgemeinen Grundsätzen der Abschlussprüfung:

Nach § 323 I S.1 HGB ist der Abschlussprüfer zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung verpflichtet. Diese hat er auf Basis ausreichender und angemessener Prüfungsnachweise durchzuführen. Das Nähere regeln § 317 HGB und § 4 I Berufssatzung der Wirtschaftsprüferkammer i.V.m. den Regelungen des IWD. Gegenstand der Abschlussprüfung ist die Rechnungslegung, nicht jedoch eine umfassende Rechts- und Wirtschaftlichkeitsprüfung (BeckOGK/Teichmann, 01.01.2022, BGB § 675 Rn. 1317 m.w.N.).

In seinem schriftlichen Bericht hat der Abschlussprüfer vorweg zu der Beurteilung der Lage des Unternehmens oder Konzerns durch die gesetzlichen Vertreter Stellung zu nehmen, wobei insbesondere auf die Beurteilung des Fortbestandes und der künftigen Entwicklung des Unternehmens unter Berücksichtigung des Lageberichts und bei der Prüfung des Konzernabschlusses von Mutterunternehmen auch des Konzerns unter Berücksichtigung des Konzernlageberichts einzugehen ist, soweit die geprüften Unterlagen und der Lagebericht oder der Konzernlagebericht eine solche Beurteilung erlauben. Nach § 317 II HGB besteht dabei für den Abschlussprüfer die Pflicht zu prüfen, ob die Darstellung im Lagebericht mit den von ihm während der Prüfung gewonnenen Erkenntnissen im Einklang steht und ob der Lagebericht insgesamt ein zutreffendes Bild von der Lage der Kapitalgesellschaft und der Konzernlagebericht insgesamt ein zutreffendes Bild von der Lage des Konzerns vermittelt. Zu prüfen ist auch, ob die Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung zutreffend dargestellt sind.

Gemäß § 322 II S.3 HGB hat der Abschlussprüfer außerdem in seinem Bestätigungsvermerk auf Risiken, die den Fortbestand des Unternehmens oder eines Konzernunternehmens gefährden, gesondert einzugehen. Daraus folgt, dass er die Gesellschaft grundsätzlich auf Risiken, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden, prüfen muss, wenn auch nur in beschränktem Umfang (´… soweit die geprüften Unterlagen eine Beurteilung erlauben´). Sollte die Gesellschaft etwa erkennbar insolvenzreif sein, wäre im Abschlussbericht/ Bestätigungsvermerk hierauf hinzuweisen. Denn dann hätten sich die Risiken, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden, bereits verwirklicht (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.12.2018 – 10 U 70/18, NZI 2019, 757, beck-online).

Nach § 322 II i.V.m. III und IV HGB ist nur dann ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk zu erteilen, wenn der Jahresabschluss und damit auch der Lagebericht unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung oder maßgeblicher Rechnungslegungsgrundsätze ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens oder des Konzerns vermittelt. Falls Einschränkungen nicht ausreichen, um in der Zusammenschau mit dem Lagebericht ein zutreffendes Bild zu vermitteln, ist der Bestätigungsvermerk zu versagen.

Eine dem Gebot der gewissenhaften und sorgfältigen Prüfung verpflichtete Jahresabschlussprüfung erfordert aber gleichwohl nicht, dass der Abschlussprüfer von jedem Geschäftsvorfall, der für den zu prüfenden Jahresabschluss von Bedeutung ist, Kenntnis nimmt und rechnungslegungsrechtlich beurteilt. Ein derart umfassendes Prüfungsprogramm ist angesichts des Zeitdrucks und des wachsenden Prüfungsstoffes sowie wegen der gebotenen Wirtschaftlichkeit im Rahmen der Jahresabschlussprüfung selbst bei sachgerechter Vorbereitung der Prüfung und planmäßigem Vorgehen während der Prüfung und selbst auf der Grundlage zusätzlicher Vor- oder Zwischenprüfungen nicht zu bewältigen. In Rechtsprechung, Literatur und Prüferpraxis besteht daher im Grundsatz Einigkeit darüber, dass eine Prüfung in Stichproben der weitaus meisten Teilgebiete des Prüfungsgegenstandes (Prüffelder) zulässig ist. Im IDW PS 200: Ziele und allgemeine Grundsätze der Durchführung von Abschlussprüfungen wird ebenfalls programmatisch darauf hingewiesen, dass die Zielsetzung der Abschlussprüfung keine lückenlose Prüfung erfordert. IDW PS 310: Repräsentative Auswahlverfahren (Stichproben) in der Abschlussprüfung erläutert repräsentative Auswahlverfahren (Stichproben). Dass das Gesetz (im Gegensatz etwa zu der Prüfung von Kreditinstituten, § 340k Abs. 1 S. 3) auf die Prüfungsdauer und das Ende der Prüfung keinen unmittelbaren Hinweis enthält, steht dem Gesagten nicht entgegen; der Gesetzgeber ist nicht von einer ´unendlichen´ Prüfung ausgegangen. Aus dem Gebot der Gewissenhaftigkeit (§ 317 Abs. 1 S. 3, § 323 Abs. 1 S. 1 HGB) und der Sorgfalt (§ 320 Abs. 2 S. 1 und 3 HGB; § 276 Abs. 2 BGB) folgt andererseits, dass die Sicherheit und die Genauigkeit der Urteilsbildung seitens des Abschlussprüfers durch die Prüfung in Stichproben nicht leiden darf (MüKoHGB/Ebke, 4. Aufl. 2020, HGB § 317 Rn. 50, 51). Daraus ergibt sich hier folgendes:

(b) Möglicherweise unvollständige Darstellung des Geschäftsmodells im Lagebericht:

Der Lagebericht führt hier zum Geschäftsmodell nur aus: ´Der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit … liegt im An- und Verkauf von Seefrachtcontainern und deren Verwaltung für … Investoren. … Mit Zustandekommen eines kombinierten Kauf- und Verwaltungsvertrages veräußert die P & R die Container an einzelne Investoren.´

Die Kläger meinen deshalb, wie in der Berufungsbegründung aufgegriffen und erstinstanzlich ausgeführt (vgl. insb. SS v. 26.04.2021, Bl.172/174 d.A.), die Tätigkeit der Gesellschaft bzw. das Geschäftsmodell sei in den Lageberichten falsch dargestellt worden. Dies betreffe alle Jahresabschlüsse nebst Bestätigungsvermerk der P & R Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs GmbH für die Geschäftsjahre 2010 bis 2015. Soweit ausgeführt werde, diese übernehme den An- und Verkauf von Seefrachtcontainern und deren Verwaltung für private und gewerbliche Investoren, sei dies unzutreffend. Sie akquiriere nur Anlegergelder und betreibe keinerlei operatives Containermietgeschäft, kaufe auch keine Container oder lege diese kontingentweise fest. Sie erarbeite auch nicht auf der Basis von Miet- und Agenturverträgen Kaufpreis und zukünftige Garantiemieten. Diese irreführenden Falschangaben suggerierten, die Mietzahlungen würden von der P & R Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs GmbH selbst erwirtschaftet. Die maßgebliche Rolle der Schweizer P & R EF als einer Gesellschaft im EU-Ausland werde dabei wider besseres Wissen gänzlich verschwiegen und das wirtschaftliche und rechtliche Umfeld grob falsch dargestellt.

Der Beklagte hat hierzu entgegnet, der Lagebericht habe der Vertragslage entsprochen. Die Schweizer P & R EF habe die Container an die P & R Gesellschaften verkauft und diese sie an die Anleger, mit denen die P & R Gesellschaften bei vereinbarten Garantiemieten unmittelbar Verwaltungsverträge geschlossen hätten. Die Nennung von Lieferanten und Geschäftspartnern sei nicht Pflichtinhalt des Lageberichts gewesen.

Das trifft zwar grundsätzlich zu (vgl. Kauf und Verwaltungsvertrag: ´Der Investor kauft von P & R …´). ´Unrichtig´ war der Lagebericht demnach wohl nicht. Die Kläger haben aber schlüssig dargelegt, dass die Lageberichte, in denen die Schweizer P & R EF und ihre maßgebliche Bedeutung innerhalb des Anlagekonzepts nicht offenbart werden, insgesamt ein unzutreffendes Bild vermittelt haben und der Prüfungsbericht durch die Nichterwähnung dieser Umstände in erheblicher Weise objektiv lückenhaft und damit unzutreffend gewesen sein könnten. Ob dies zutrifft und welche prüfungsrechtlichen Folgerungen daraus ggf. zu ziehen gewesen wären, kann der Senat aus eigener Sachkunde nicht beurteilen; dies bedürfte daher ggf. sachverständiger Prüfung.

(c) Möglicherweise nicht ausreichende Prüfung und Darstellung bestandsgefährdender Risiken:

(aa) Besondere Anforderungen an den Abschlussprüfer stellt die Prüfung der zutreffenden Darstellung der Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung. Dies wird zusätzlich noch durch die in § 321 Abs. 1 S. 2 HGB geregelte Vorwegberichterstattung des Abschlussprüfers über seine Beurteilung der Lageberichtsdarstellung sowie zu den wesentlichen Chancen und Risiken im Prüfungsbericht betont. Die Darstellung der Risiken der künftigen Entwicklung sollte sich im Interesse der Klarheit des Lageberichts auf solche Risiken beschränken, die entweder bestandsgefährdend sind oder einen wesentlichen Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage haben können (EBJS/Böcking/Gros/Rabenhorst, 4. Aufl. 2020, HGB § 317 Rn. 22).

(bb) Dazu haben die Kläger etwa in der Replik (SS v. 10.03.2021, Bl.66/84) vorgetragen, der Beklagte habe – anders als im Prüfungsbericht dargestellt – die Ergebnisse aus dem Lagebericht und der Bilanz ungeprüft übernommen, jedenfalls insoweit nachlässige Ermittlungen getätigt, andernfalls ihm die seit 2007 bestehende stetige Differenz zwischen dem Bestand der verkauften und tatsächlich von der Schweizer P & R EF erworbenen bzw. vorhandenen Container und damit das Vorliegen eines möglichen Schneeballsystems auffallen und er die Insolvenzreife der deutschen P & R Gesellschaften erkennen hätte müssen.

Anhaltspunkte für eine unterbliebene oder jedenfalls unzureichende Prüfungstätigkeit des Beklagten seien nach Klägervortrag u.a., dass er dem Umstand nicht weiter nachgegangen sei, dass nur marginale Beträge in die Schweiz überwiesen worden seien, mit denen die Container der Anleger überhaupt nicht gekauft werden hätten können. Außerdem hätte – wie unter Beweis gestellt und näher ausgeführt – eine offenkundig nicht erfolgte Prüfung der Zahlungsströme zwischen den deutschen Gesellschaften untereinander und den Zahlungen an die P & R EF auf einen Fehlbestand der Container hingedeutet.

Die gebotene Überprüfung, ob tatsächlich ein Erwerb von Containern (den Käufen der Anleger entsprechend) stattgefunden habe, der beispielsweise mit Rechnungen der P & R EF belegt werden hätte können, habe offensichtlich nicht stattgefunden. Dabei sei – wie unter Beweis gestellt – eine nur stichprobenartige Prüfung insoweit nicht möglich gewesen, da den einzelnen Anlegern kein konkreter Container zugeordnet gewesen sei.

Die Geschäftsbeziehungen der deutschen P & R Vertriebsgesellschaften mit der Schweizer P & R EF seien von zentraler Bedeutung für die Rechnungslegung gewesen, d.h. diese habe die Container angeschafft und bewirtschaftet. Der mit Abstand größte Forderungsposten – wie von den Klägern auch an anderer Stelle dargelegt (SS v. 16.03.2021, S.6, Bl.99) – sei deshalb gegen besagte P & R EF gerichtet gewesen. Die Werthaltigkeit der Forderungen habe über das Wohl und Wehe der deutschen P & R-Gesellschaften entschieden und sei im Ergebnis das einzige existenzbedrohende Risiko gewesen. Tatsächlich hätten die von diesen mit den Anlegern 2011 bis 2013 vereinbarten Garantiemieten und prognostizierten Rückkaufswerte bis 2016 wegen Preisverfalls aber in keinem Verhältnis mehr zu den erzielbaren Marktpreisen gestanden. Dem Beklagten hätten letztlich die Mietunterdeckungen auffallen müssen. 2014 wären 418 Mio. € und 2015 419 Mio. € an die Anleger gezahlt worden, wie sich aus den vorgelegten Performance-Reporten (Anl. ´Y´) ergebe. Dem seien nur Mieteinnahmen von 228 Mio. (2014) bzw. 262 Mio. (2015) € gegenübergestanden.

Der Beklagte meint dazu, er habe keine eigene Prognose anzustellen gehabt, sondern nur die Richtigkeit und Vollständigkeit der Darstellung der Geschäftsführung zu prüfen gehabt und, ob die darauf gestützten Annahmen realistisch und in sich widerspruchsfrei sind und ob Prognoseverfahren richtig angewandt worden seien (Plausibilitätsprüfung). Die Überweisung nur marginaler Beträge in die Schweiz sei kein Indiz für Unregelmäßigkeiten gewesen, da fortlaufend Forderungen aus Anlass der Containervermietung bestanden hätten und Verbindlichkeiten auch anders als durch Überweisung erfüllt werden hätten können. Es sei nicht ungewöhnlich, dass von Verrechnungskonten zwischen einzelnen Gesellschaften Gelder zu anderen Gesellschaften transferiert würden, insbesondere folge daraus noch nicht, dass dies zur Begegnung eines Liquiditätsengpasses geschehe. Er habe sich von den Geschäftsführern der jeweiligen deutschen P & R Gesellschaft die Lage der P & R EF erläutern lassen. Ihm sei erklärt worden, die Überschuldung derselben werde durch ein funktionierendes Geschäftsmodell konsequent abgebaut, was sich mit deren Bilanzen der Schweizer Gesellschaft gedeckt habe. Die von der P & R EF ausgestellten Rechnungen habe er pflichtgemäß in Stichproben geprüft und dabei keine Auffälligkeiten festgestellt. Er habe in Stichproben die von der P & R EF erworbenen Container, die zur Unterscheidung mit Nummern versehen gewesen seien, mit der Anzahl der nach den Kauf- und Verwaltungsverträgen von den Investoren erworbenen Container abgestimmt und anhand der im P & R-Investoren-Verwaltungsprogramm hinterlegten Nummern in Stichproben die jeweilige Existenz der Container sowie die damit verbundenen Übereignungsvorgänge nachvollzogen. Auch dabei habe er keine Auffälligkeiten feststellen können, insbesondere nicht das Fehlen von Containern.

(cc) Dazu ist zunächst anzumerken, dass der Senat davon ausgeht, dass auch im vorliegenden Falle unstreitig ist, dass – entsprechend den Feststellungen im Insolvenzgutachten – bereits ab dem Jahr 2007 durch die finanzielle Schieflage der Schweizer P & R -Equipment & Finance in der P & R Gruppe ein ´Schneeballsystem´ mit erheblichen Containerfehlbeständen und Liquiditätslücken entstanden ist (vgl. Klageerwiderung der Beklagten S. 17, Bl. 37 d.A., ´es mag sein…´); ansonsten wäre eine etwaige Beweisaufnahme erforderlichenfalls auch hierauf zu erstrecken.

Soweit der Beklagte dort mit Nichtwissen bestritten hat, dass ´in der streitgegenständlichen P & R-Gesellschaft ebenfalls ein Containerfehlbestand vorhanden gewesen´ sei, dürfte dies hier nicht zulässig sein, vgl. § 138 IV ZPO. Außerdem dürfte ein derartige isolierte Betrachtung hier nicht angebracht sein. Ein Schneeballsystem setzt sowohl das Einwerben neuer Anleger zur Beschaffung neuer Finanzmittel voraus als auch die (zumindest teilweise) Verwendung der Gelder nicht für den bestimmungsgemäßen Zweck, hier den Erwerb der verkauften Container. Ohne das Anwerben der Anleger zur Beschaffung neuen Kapitals ist ein Schneeballsystem nicht denkbar. Diesen Teil übernahmen in der P & R Gruppe die deutschen Vertriebsgesellschaften. Sie waren daher jedenfalls in objektiver Hinsicht unabdingbarer Teil des sittenwidrigen Schneeballsystems, wie nicht zuletzt deren zeitnahe Insolvenzanträge gezeigt haben.

– Fraglich kann daher wohl allenfalls sein, ob der Beklagte diesen Containerfehlbestand bei seiner Prüfung hätte erkennen müssen. Zwar trifft es zu, das der Beklagte sich grundsätzlich mit einer stichprobenartigen Prüfung zufrieden geben konnte, s.o. Bisher wurde beklagtenseits aber wohl nicht konkret vorgetragen, wie diese Stichprobenprüfung konkret ausgesehen haben soll (Wieviele, mit welche Vorgaben etc.); das dürfte er ggf. im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast nachzuholen haben, damit ein gerichtlicher Sachverständiger beurteilen kann, ob dieses Vorgehen im vorliegenden Falle trotz der mit einem Fehlbestand wohl verbundenen bestandsgefährdenden Risiken angemessen war.

– Auch gegen die beklagtenseits angeführte Verwendung von Saldenbestätigungen ist grundsätzlich nichts zu erinnern. Wenn die Höhe der Forderungen oder Verbindlichkeiten absolut oder relativ wesentlich ist, sind zur Prüfung ihres Nachweises Saldenbestätigungen heranzuziehen (soweit nicht ausnahmsweise die notwendigen Nachweise auf andere Weise einfacher und mit mindestens gleicher Sicherheit erbracht werden können). Alternative Prüfungshandlungen können aber auch bei beantworteten Bestätigungsersuchen notwendig sein, wenn sich Zweifel aufdrängen. Denn Informationen Dritter sind nicht per se zuverlässig, unbewusste oder bewusste Veränderungen von Daten nicht von vornherein auszuschließen (MüKoHGB/Ebke, 4. Aufl. 2020 Rn. 57, HGB § 317 Rn. 57).

Ob sich hier dem Beklagten angesichts der Gesamtumstände des Anlagemodells (zur ´Informationsabschottung´ s.u.) entsprechende Zweifel aufdrängen mussten und deshalb ´alternative Prüfungshandlungen´ geboten gewesen wären, müsste ebenfalls ein Sachverständiger beurteilen.

– Ähnliches gilt für die Frage der Prüfung und Bewertung der unstreitigen Überschuldung der Schweizer P & R -Equipment & Finance. Ob der Beklagte sich angesichts des damit verbundenen bestandsgefährdenden Risikos für die deutschen P & R-Gesellschaften mit Äußerungen der Geschäftsführer der deutschen P & R-Gesellschaften sowie damit zufrieden geben konnte, dass der Schweizerischen P & R Gesellschaft von dem schweizerischen Wirtschaftsprüfer stets trotz Überschuldung eine positive Fortführungsprognose bestätigt worden sei, bedürfte ebenfalls sachverständiger Bewertung.

Klärungsbedürftig erscheint angesichts dieser jedenfalls nominellen Überschuldung auch, ob die Forderungen dann noch mit ihrem vollen Wert bilanziert werden durften. Wie der BGH erst kürzlich ausgeführt hat, ist dem Umstand, dass eine Forderung risikobehaftet ist, durch Abschreibung nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1, § 253 Abs. 4 HGB Rechnung zu tragen. Diese sogenannten zweifelhaften Forderungen sind mit ihrem wahrscheinlichen Wert anzusetzen. Dies ist der Wert, mit dem sie wahrscheinlich realisiert werden können, wobei grundsätzlich eine Einzelbewertung vorzunehmen ist. Ein (wegen Ausfallrisikos) unter ihrem Nennbetrag liegender Wert von Geldforderungen kann im Allgemeinen nur im Wege der Schätzung ermittelt werden. Maßgebend ist, ob ein vorsichtig bewertender Kaufmann nach der allgemeinen Lebenserfahrung aus den jeweiligen Umständen des Einzelfalles die Annahme eines – teilweisen – Forderungsausfalls herleiten darf. Die Zahlungsfähigkeit und die Zahlungswilligkeit (Bonität) eines Schuldners sind dabei individuell nach dessen Verhältnissen zu ermitteln (BGH, Urteil vom 20. Januar 2022 – III ZR 194/19, Rz. 23).

Dass der Beklagte dies getan hätte – oder angesichts der von ihm selbst ins Feld geführten Informationsabschottung auch nur hätte tun können – ist bisher nicht ersichtlich.

– In zeitlicher Hinsicht sind bei der Bewertung gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 HGB alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekanntgeworden sind (sog. wertaufhellende Tatsachen). Der zu berücksichtigende Umstand selbst muss jedoch bereits zum Abschlussstichtag vorgelegen haben; wertbegründende oder wertbeeinflussende Tatsachen, die erst nach dem Abschlussstichtag entstanden sind, müssen dagegen unberücksichtigt bleiben (BGH, Urteil vom 20. Januar 2022 – III ZR 194/19, Rz. 23).

Diesbezüglich wird sachverständig der Behauptung der Klageseite nachzugehen sein, dass die mit den Anlegern 2011 bis 2013 vereinbarten Garantiemieten und prognostizierten Rückkaufswerte bis 2016 wegen Preisverfalls in keinem Verhältnis mehr zu den erzielbaren Marktpreisen gestanden hätten.

– Auch ob die Zahlungsflüsse Anlass für weitere Prüfung und ggf. Beanstandung hätten sein müssen, bedürfte sachverständiger Prüfung. Der Senat könnte nicht selbst beurteilen, ob die Einlassung des Beklagten, die Überweisung nur marginaler Beträge in die Schweiz sei kein Indiz für Unregelmäßigkeiten, und es sei nicht ungewöhnlich, dass von Verrechnungskonten zwischen einzelnen Gesellschaften Gelder zu anderen Gesellschaften transferiert würden, insbesondere ergebe sich daraus nicht, dass dies zur Begegnung eines Liquiditätsengpasses geschehen sei, prüfungsrechtlich zutreffend ist.

– Wenn der Beklagte schon selbst beklagt, dass ihm angesichts der Abschottung der Schweizer Gesellschaft überhaupt nicht möglich gewesen sei, die Lage der P & R EF zu erfassen, stellt sich auch die sachverständig zu klärende Frage, ob diese Abschottung von ihm dann nicht bei der Prüfung zu beanstanden gewesen wäre und im Falle ihrer Nichtbehebung das Testat zu verweigern gewesen wäre. Dies insbesondere auch deshalb, weil er angesichts der nominellen Überschuldung der P & R EF deren Zahlungsfähigkeit wohl individuell hätte überprüfen müssen (s.o.), was ihm angesichts der von ihm selbst ins Feld geführten Informationsabschottung wohl nicht möglich war.

Die Beurteilung, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt die oben – nicht abschließend – angeführten Umstände vorlagen, und ob deren Nichtberücksichtigung durch den Beklagten ggf. als ´gewissenlos´ zu qualifizieren wäre, erfordert demgemäß auch hier eine umfassende Würdigung der Einzelfallumstände, die besonderen kaufmännischen und bilanztechnischen Sachverstand voraussetzt. Daher wäre hierfür die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2022 – III ZR 194/19, Rz. 25), nachdem der Senat – und wohl auch das Landgericht – nicht selbst über die hierfür notwendige besondere Sachkunde verfügt.

(…)

III. Für eine vorsätzliche Teilnahme des Beklagten an etwaigen unerlaubten Handlungen der Geschäftsführer der P & R-Gesellschaften gem. § 830 BGB, z.B. zur fahrlässigen oder vorsätzlichen Insolvenzverschleppung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO, § 826 BGB, oder wegen Beteiligung an einem ´Schneeballsystem´ gem. § 826 BGB, hat die Klagepartei keine hinreichenden Anhaltspunkte vorgetragen. Senatsbekannt wurde ein entsprechendes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München I unter dem Az. 323 Js 183478/18 gegen den Beklagten wegen Beihilfe zum Betrug gem. § 170 II StPO eingestellt. Daher kann dahinstehen, ob die Kausalitätsfrage in diesem Falle anders zu beurteilen wäre (z.B. so wie in den ´Dieselfällen´, vgl. dazu z.B. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19).“

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Jörg Hahn
Rechtsanwalt
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