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Inhaber europäischer Patente müssen jetzt dringend handeln

ETL-IP-Patentanwalt Dr. Jörn Plettig informiert zum europäischen Einheitspatent
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27.12.2022

Inhaber europäischer Patente müssen jetzt dringend handeln

ETL-IP-Patentanwalt Dr. Jörn Plettig informiert zum europäischen Einheitspatent

Voraussichtlich zum 1. April 2023 wird das europäische Einheitspatent in Kraft treten und das bisherige Patentsystem ergänzen. Der EU-weite Zusammenschluss soll eine zentrale Anlaufstelle für europäische Patente mit einheitlicher Wirkung schaffen: Das Einheitspatent ermöglicht es, mit Stellung eines einzigen Antrags Patentschutz in allen ratifizierten EU-Mitgliedsstaaten zu erhalten. ETL-IP-Patentanwalt Dr. Jörn Plettig empfiehlt Patentinhabern allerdings einen Widerspruch: „Wenn Entscheidungen nicht mehr nur pro Land gelten, kann eine einzige Klage schlimmstenfalls dafür sorgen, den gesamten EU-Markt zu verlieren.“

Das aktuell geltende europäische Patentübereinkommen (EPÜ) erfasst neben den 27 EU-Ländern auch sogenannte Vertragsstaaten wie die Türkei und Albanien. Bisher ist es so, dass nach der Erteilung eines Europäischen Patents ebendieses in den EPÜ-Vertragsstaaten von Interesse erst validiert werden muss. Daraufhin zerfällt das EP-Patent in ein Bündelpatent aus nationalen Teilen, die für sich stehen und einzeln auf nationaler Ebene durchgesetzt bzw. beklagt werden müssen. Eine erfolgreiche Nichtigkeitsklage in Frankreich beispielsweise führt damit nicht automatisch zu einer erfolgreichen Nichtigerklärung des parallelen deutschen Teils.

Einheitliche Wirkung über Landesgrenzen hinweg

Ab dem 1. April 2023 ändert sich das – und zwar automatisch für alle bestehenden und in Kraft befindlichen EP-Patente. Das Einheitspatentgericht und damit das europäische Einheitspatent treten in Kraft und sorgen dafür, dass Patentinhaber bei Durchsetzungen oder Klagen nicht mehr pro Land kämpfen, sondern in den ratifizierten EU-Staaten, quasi „gesamteuropäisch“.

Im Gegensatz zum EPÜ ist die neue Regelung allerdings auf die ratifizierten EU-Mitgliedsstaaten begrenzt, wobei Spanien und Kroatien derzeit noch keine finale Entscheidung über ihre Beteiligung getroffen haben. 17 EU-Länder sind jedoch schon direkt ab April 2023 dabei, darunter auch Deutschland. Weitere acht EU-Staaten befinden sich noch im Ratifizierungsverfahren und werden nachträglich folgen. 

Patentinhaber können sich neuer Regelung entziehen

„Um sich dieser sonst zwangsweisen Gerichtsbarkeit des Einheitspatentgerichts zu entziehen, besteht ab dem 1. Januar 2023 dringender Handlungsbedarf bei den Patentinhabern mit bereits erteilten EP-Patenten“, betont Dr. Jörn Plettig. Zum neuen Jahr beginnt nämlich die sogenannte Sunriseperiod, in der Übergangsmaßnahmen den Umstieg auf das europäische Einheitspatent und -gericht erleichtern sollen. Während des ersten Quartals 2023 haben EP-Patentinhaber bis einschließlich 31. März die Möglichkeit, einen Antrag gegen die Gerichtsbarkeit des europäischen Einheitspatents zu stellen und sich somit der neuen Regelung zu entziehen.

Aufgrund des hohen administrativen Aufwands rät Jörn Plettig dazu, sich schnellstmöglich zu überlegen, welche EP-Patente ausoptiert werden sollen: „Für die wenigsten wird die Zuständigkeit des Einheitspatentgerichts in Frage kommen, sodass der überwiegende Anteil der Patentinhaber dieser Gerichtsbarkeit widerspricht“ (sog. „opt-out“). Wichtig zu wissen: Diese bestehenden EP-Patente können gar keine einheitliche Wirkung entfalten. Dies geht nur mit zum 1. April 2023 erteilten EP-Patenten. In diesem Zuge ist eine weitere Übergangsmaßnahme, zur Erteilung befindliche EP-Patente bis zum Inkraftreten der einheitlichen Wirkung hinauszuzögern, um dann einen Antrag darauf zu stellen.

Kosten und Aufwand sinken

Die Vor- und Nachteile des europäischen Einheitspatents sind für jedes Patent individuell abzuwägen. Für die neue Regelung sprechen einerseits die geringeren Kosten für Jahresgebühren und Übersetzungen. Während aktuell für jedes Land einzeln abgerechnet wird, muss dann nur noch eine Gebühr an das EPA bezahlt werden. Auch die Übersetzungskosten schrumpfen, da nur noch zwei Übersetzungen eingereicht werden müssen (Deutsch, Englisch oder Französisch).

Ein weiterer Vorteil besteht bei Verletzungs- und/oder Nichtigkeitsklagen auf EU-Ebene: Statt in jedem Land einzeln zu kämpfen, werden die Klagen vor einem Einheitspatentgericht gebündelt. Dies ist kostengünstiger und mit weniger administrativem Aufwand verbunden. Beispielsweise ist angedacht, dass Urteile innerhalb eines Jahres ab Prozessbeginn gefällt würden.

Risiko des EU-weiten Patentverlusts

Allerdings birgt das europäische Einheitspatent auch ein großes Risiko. Schlimmstenfalls kann eine einzige Klage dafür sorgen, den gesamten EU-Markt zu verlieren, denn Entscheidungen gelten EU-weit in den komplett ratifizierten EU-Staaten und nicht mehr pro Land, wie bisher. Die größte Herausforderung aber ist die noch zu entwickelnde Spruchpraxis für das Einheitspatentgericht. Es handelt sich hierbei um ein völlig neues und damit sehr junges Gericht mit neuen Richtern und Institutionen. Unklar ist auch noch, welche Rechtsprechung als Maßstab herangezogen würde.

Dr. Jörn Plettig empfiehlt in den meisten Fällen ein „opt-out“ aus der Einheitspatentgerichtsbarkeit: „Patentinhaber müssen für jedes einzelne EP-Patent aktiv widersprechen, damit nur das EPÜ weiterhin für sie gilt. Die beiden Systeme existieren schließlich parallel. Zudem hat man einmalig die Möglichkeit, seine Entscheidung später zu ändern und doch in ein opt-in zu gehen.“

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Dr. Jörn Plettig
Patentanwalt

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