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Viel Personal, keine Verfügbarkeit

Das steckt hinter dem Fachkräftemangel in Krankenhäusern
Viel Personal, keine Verfügbarkeit
Aktuelles
17.04.2024

Viel Personal, keine Verfügbarkeit

Das steckt hinter dem Fachkräftemangel in Krankenhäusern

Deutsche Krankenhäuser verfügen über so viel Personal wie nie zuvor. Doch Bürokratie und ineffiziente Prozesse binden zu viel Arbeitskraft. Carsten Schäfer, Berater für Krankenhäuser, fordert einen Rahmen, in dem sich die Häuser endlich wieder auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren können – die Versorgung der Patienten.

Die Meldungen zum Fachkräftemangel im Gesundheitswesen reißen nicht ab, doch die Zahlen werfen ein neues Licht auf die Situation der Krankenhäuser: Insgesamt verzeichnen diese im Vergleich zu 2016 etwa 15 Prozent weniger Patientinnen und Patienten, während die Zahl der Vollkräfte im ärztlichen sowie im nicht-ärztlichen Dienst jeweils um 10 Prozent gewachsen ist. Damit gab es in deutschen Krankenhäusern noch nie zuvor so viel Personal im Verhältnis zu den Patientenzahlen wie jetzt. Auch in der langfristigen Betrachtung seit 1991 bestätigt sich diese Aussage.

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Krankenhausbeschäftigte & Belegungsdaten 2016 bis 2022 | Index 2016 = 100. Quelle: destatis

Natürlich gibt es viele Herausforderungen wie hohe krankheitsbedingte Ausfälle und ein Ungleichgewicht zwischen Ballungsgebieten und ländlichen Regionen. Doch das allein erklärt nicht die Not der Krankenhäuser. Als Berater, der täglich in Krankenhäusern tätig ist, erlebe ich die Situation aus einem bestimmten Blickwinkel. Die Erfahrungen jedoch, die ich kürzlich als Angehöriger eines Patienten machen durfte, lassen mich umso mehr erahnen, was in deutschen Krankenhäusern schiefläuft.

Von Digitalisierung keine Spur

Ich begleitete meinen demenzkranken 87-jährigen Onkel zu einer geplanten Routineoperation. Während des fünfstündigen Aufnahmeprozesses mussten wir mehrere Fragebögen zu Gesundheitszustand, Medikamenten, Vorerkrankungen etc. ausfüllen, die zu 70 Prozent identisch waren. Ärzte oder Krankenschwestern gaben die Antworten anschließend in das System ein. Der Medikamentenplan (insgesamt 9 Medikamente) wurde dreimal manuell eingetippt. Von den insgesamt rund 120 Minuten, in denen Ärzte und Pflegepersonal tätig wurden, entfielen 20 Minuten auf die Betreuung meines Onkels. Den Großteil der Zeit beanspruchten administrative Tätigkeiten.

Nebenbei konnte ich beobachten, wie zwei examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerinnen sowie eine Lernschwester für eine Studie geschätzt 80 bis 100 Briefe öffneten, die händisch ausgefüllten Fragebögen entzifferten und dann ins System eingaben. Ein Hoch auf die Digitalisierung. Von drei verschiedenen Mitarbeitenden des Krankenhauses gab es unterschiedliche Aussagen zu der Frage, ob mein Onkel als Selbstzahler ein Ein- oder Zweibettzimmer bekommen könnte. Meine Anfrage, ob ich den Sozialdienst wegen der Nachsorge sprechen könne, führte dazu, dass drei Schwestern gleichzeitig ihre aktuellen Tätigkeiten unterbrachen, um mir zu helfen.

Produktivität ist gesunken

Es überrascht mich nicht, dass es bei den Beschäftigten in den Krankenhäusern hohe Unzufriedenheit über die Arbeitsbedingungen herrscht. Die Prozesse funktionieren nicht, und die Digitalisierung ist ein Wunschdenken, was wahrlich nicht in der Verantwortung der Beschäftigten liegt. Mein Onkel wurde insgesamt sehr gut versorgt, und dafür danke ich allen Beschäftigten in den Krankenhäusern. Aber warum werden diese mit schlechten Prozessen, nicht vernetzten und durchdachten Systemen und unnötigen Arbeiten fern von Patientinnen und Patienten aufgehalten?

„Wir haben so viel Personal im System wie noch nie, aber es steht einfach nicht zur Verfügung“, beschrieb kürzlich eine Pflegedirektorin eines kommunalen Krankenhauses der Grund- und Regelversorgung das Problem. Die Produktivität des Krankenhauspersonals ist nominell um mehr als 20 Prozent zurückgegangen. Dies ist weitaus mehr, als die erhöhten Krankheitsquoten erklären können.

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Fallzahlen je Vollkraft von 2016 bis 2022. Quelle: destatis

Abteilungen mit unter 1.000 Patienten im Jahr

Darüber hinaus beobachte ich in vielen Krankenhäusern, dass weiterhin Abteilungen aufrechterhalten werden, die für Qualität und Wirtschaftlichkeit viel zu klein sind. Wenn beispielsweise in einer Gynäkologie und Geburtshilfe nur noch 600 Patientinnen pro Jahr behandelt werden, während es innerhalb von 30 Fahrminuten fünf weitere Krankenhäuser mit einer Frauenklinik inklusive Geburtshilfe gibt, müssen andere Fragen als nur die der Mindestbesetzung gestellt werden. Wenn die Ärztinnen und Ärzte einer solchen Abteilung im Durchschnitt nur noch 0,8 Geburten pro Woche begleiten und nur noch 2,5 Stunden pro Woche im Operationssaal sind, müssen wir die Qualität in der Leistungserbringung und Ausbildung in Frage stellen dürfen. Leider verhindern Politik und Bevölkerung oft genau das.

Dieses Beispiel ist kein Einzelfall. Als Berater stelle ich immer wieder fest: In Ballungsgebieten wird nahezu jede Fachkraft eingestellt, unabhängig vom tatsächlichen Bedarf. In ländlichen Gebieten hingegen gibt es nicht genügend Bewerber, sodass teure Leasingkräfte die Lücken füllen müssen. Letztendlich streben alle Krankenhäuser danach, keine weiteren Leistungen zu verlieren, auch wenn die Fallzahlen einiger Abteilungen teilweise deutlich unter 1.000 Patientinnen und Patienten pro Jahr liegen – koste es, was es wolle! Dies kann nicht funktionieren.

Versorgung muss wieder im Mittelpunkt stehen

Der wirkliche Fachkräftemangel steht uns aufgrund des demografischen Wandels aber erst noch bevor. Ich möchte mir nicht vorstellen, dass wir mit dem aktuellen System und der aktuellen Produktivität in diese Entwicklung eintreten. Denn in diesem Fall wäre die Konsequenz, dass wir Gesundheitsleistungen stark rationieren müssen. Das kann und darf nicht die Lösung sein.

Die Politik auf Bundesebene und in den Ländern muss sich jetzt zusammenschließen, anstatt sich gegenseitig zu attackieren und Populismus zu betreiben. Es ist an der Zeit, einen Rahmen zu schaffen, der es den Krankenhäusern ermöglicht, effektiv zu arbeiten und sich auf ihre Hauptaufgabe zu konzentrieren: die Versorgung von Patientinnen und Patienten.

Die zahlreichen Interessenverbände und Gewerkschaften müssen Veränderungen im System ermöglichen. Ohne Konzentrationsprozesse wird es nicht gehen. Die Forderung nach mehr Geld löst die Probleme nicht, sondern verzögert und verschlimmert nur die notwendigen Veränderungen.

Die Krankenhäuser müssen sich verstärkt mit Themen wie Prozessoptimierung, Digitalisierung und effektiver Führung auseinandersetzen können. Jedoch sind sie derzeit ständig mit Problemen wie Überschuldung, Liquiditätsengpässen und steigenden bürokratischen Anforderungen konfrontiert.

Es ist an der Zeit, gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten.

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Carsten Schäfer
Diplom-Kaufmann

Mail: carsten.schaefer@etl-wrg.de


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